BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«Objektivität durch das Objektiv? Ein kleiner konstruktivistischer Exkurs über Straßenfotografie als Dokumentation oder Kunst» von Christian Hennig
Als PDF-Datei laden

Mit einer Freundin, Q., besuchte ich die Ausstellung "London Street Photography" im "Museum of London". Gezeigt wurden Straßenfotografien in London von den Anfängen der Straßenfotografie (1860) bis heute. Unser Interesse galt sowohl der Geschichte ("wie hat das damals ausgesehen?") als auch der Fotografie, wenn man so will, der "Kunstfotografie". Damit meine ich zum einen, dass es die Arbeit von professionellen oder halbprofessionellen Fotografen ist, die ihre Fotos in Galerien, also Orten des sozialen Systems "Kunst", ausstellen wollen, und zum anderen den Aspekt des "künstlerischen Betrachtens", welches ich schwer beschreiben kann, aber als Versuch schreibe ich: Des Betrachtens, welches das Foto nicht bloß als Dokument und Information sehen will, sondern in irgendeiner anderen (hoffentlich) bereichernden Weise.

Unsere Gedanken dazu, von denen dieser Text handelt, beziehen sich auf dieses Spannungsfeld zwischen "Kunst" und "Dokumentation". In einem Einführungstext über die Zeit nach 1980 in der Ausstellung war zu lesen, dass die achtziger Jahre eine schlechte Phase für die Straßenfotografie waren, weil im Zuge der Postmoderne ein großes Misstrauen gegenüber der Fähigkeit der Fotografie aufgekommen war, die "Wirklichkeit" zu dokumentieren. Infolge dessen waren die später entstandenen Fotografien in der Ausstellung merklich "künstlerischer" in dem Sinne, dass sie viel offensichtlicher "speziell" waren, bestimmt durch die mehr oder weniger erfolgreiche Suche des Fotografen nach "originellen", "witzigen", "schockierenden", "eigentümlichen" Motiven, also durch den Wunsch, das Besondere festzuhalten (oder auch zu gestalten bzw. zu schaffen), und nicht das Typische. Der Anspruch war, in diesem Sinne, kein "dokumentarischer" mehr. Diese Unterscheidung lässt sich jedoch nicht scharf machen. Es ist ja zum Einen nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, das Besondere, wenn es denn "wirklich" passiert, dokumentarisch festzuhalten, und zum anderen kann auch die Fotografie des (anscheinend) Typischen die persönliche Perspektive des Fotografen und die Auswahl eines bestimmten Motivs aus potenziell unendlich vielen nicht verleugnen (und obendrein ist in der hier gemachten Unterscheidung zwischen "typisch" und "besonders" noch meine Betrachterperspektive drin). Auf dieser Beobachtung beruht ja gerade die zitierte postmoderne Kritik an der Fähigkeit des Fotos, die Wirklichkeit "wirklich" zu dokumentieren.

Die Fotos dokumentieren aber schon irgendetwas, wenn auch nicht unbedingt die "wirkliche Wirklichkeit". Ich denke, dass das Problem weniger ist, dass Fotos zur Dokumentation grundsätzlich untauglich wären, als eher, dass beim Prozess des Betrachtens so viele unterschiedliche Realitätsebenen durcheinander laufen, dass man dem mit der naiven Vorstellung, die Realität "sei so, wie das Foto zeigt", nicht gerecht wird.

Ich zähle nun einige dieser Ebenen auf. Da ist zunächst einmal das fotografierte Objekt (bzw. genauer: alles "außerhalb unserer Person Reale", welches sich im Foto abgebildet findet). Eine große Rolle spielt offenbar der Fotograf, auf verschiedene Weise. Manchmal arrangiert der Fotograf aktiv, was zu sehen ist (zum Beispiel durch Aufbauten oder Anweisungen an die fotografierten Menschen). In jedem Fall wählt der Fotograf, wo und wann er das Foto macht (auch wenn er vorsätzlich ein Zufallselement herein bauen kann, indem er zum Beispiel eine Kamera irgendwo installiert, die zu einem zufälligen Zeitpunkt auslöst). Weiterhin macht der Fotograf normalerweise weit mehr Fotos (teilweise in derselben Situation) als in der Ausstellung gezeigt werden, d.h. er wählt auch aus, welche seiner Fotos er für zeigenswert befindet. Letzteres tut nicht nur der Fotograf selbst, sondern auch, zum Beispiel, die Zeitung, die Fotos des Fotografen veröffentlicht, oder der Kurator der Ausstellung. Zuletzt gibt es den Betrachter, der das Foto vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte und der eigenen Gedanken und Gefühle betrachtet und nicht notwendig dasselbe sieht wie der Fotograf, welcher wiederum in der fotografierten Situation nicht notwendig dasselbe sieht wie andere Menschen, die sich in derselben Situation befinden, mit ihren eigenen Augen. Ich habe als Betrachter zum Beispiel immer den Eindruck gehabt, dass die Vergangenheit, in welcher ausschließlich schwarz/weiß fotografiert wurde, mir deswegen besonders grau und farblos erscheint, auch im übertragenen Sinne - was dadurch ein bisschen relativiert wird, dass es auch gegenwärtige "Kunst-/Dokumentationsfotografien" gibt, auf denen ganz besonders traurige Menschen in schwarz/weiß mindestens so grau, farblos und deprimiert erscheinen wie die schwarz/weiße Vergangenheit.

Als Kind hatte ich Schwierigkeiten, den Sinn der "realistischen" Malerei zu verstehen, weil man ja, statt ein realistisches Pferd zu malen, auch eines fotografieren könnte. Beziehungsweise, ich dachte, man könnte ein fotografiertes Pferd ausstellen statt des realistisch gemalten (meinetwegen sollte, wer Freude daran hat, Pferde realistisch zu malen, das weiterhin tun; das war nicht mein Problem). Irgendwann fiel mir aber ein grundsätzlicher Unterschied zwischen realistischer Malerei und Fotografie auf. Der Maler eines realistischen Bildes muss ja jedes Detail, das er malt, ganz bewusst selber wahrnehmen. Der Fotograf kann hingegen "in die Gegend knipsen", und der Betrachter kann nicht wissen, ob dem Fotografen alle dieselben Details, die der Betrachter im Bild findet, dem Fotografen auch aufgefallen sind. Der Maler hat sich den eigenen Blick auf das Gemalte offensichtlich aktiv erarbeitet. Eine Auseinandersetzung mit Details auf der realistischen Malerei ist offensichtlich eine Auseinandersetzung mit der Arbeit, der aktiven Konstruktion des Malers (auch wenn wie auch bei der Fotografie der Vorbehalt gilt, das der Maler seine Arbeit anders gesehen haben mag, als der Betrachter sie sieht). Beim Fotografen ist das nicht so klar, denn wir stellen uns vor, dass der Fotograf die Details seines Fotos nicht persönlich in das Foto hineingearbeitet hat, sondern sie eher bloß passiv eingefangen hat. Selbst im Sinne der Auswahlfunktion des Fotografen kann der Betrachter allenfalls recht grob mutmaßen, welche Details für den Fotografen maßgeblich waren. Wenn man ausgestellte Bilder als Kommunikation ansieht, kann man daher denken, dass die genaue Betrachtung der realistischen Malerei eher "lohnt" als die Betrachtung des Fotos, weil mehr "erarbeitete" (und insofern für wichtig bzw. interessant erachtete) Realität kommuniziert wird. Andererseits ist es natürlich dem Betrachter unbenommen, in die Betrachtung eines Fotos denselben Aufwand zu stecken um dort, neben einer "Botschaft" des Fotografen, Dinge zu sehen, die dem Fotografen möglicherweise gar nicht aufgefallen sind (ein Betrachter könnte im Prinzip auch behaupten, dass er auch in der Malerei Dinge entdecken kann, die dem Maler entgangen sind, aber dabei müsste er sich schon irgendwie um den Vorgang des Malens herum manövrieren).

Man kann die realistische Malerei insofern als "ehrlicher" ansehen als die dokumentarische Fotografie, weil sie den Blick des Malers offensichtlicher macht als die Fotografie den Blick des Fotografen; wobei man es andererseits als Aufgabe des Betrachters ansehen könnte, nicht zu vergessen, dass auch der Blick des Fotografen eine wichtige Rolle spielt, wenigstens so lange der Fotograf nicht behauptet, seine Fotografie zeige die Realität objektiver als die Malerei des Malers. Derselbe Aspekt, naiv-realistisch "umgedreht", besagt genau das: Dass die Fotografie die Realität zeigt, wie sie (unabhängig von Fotograf und Betrachter) wirklich ist, und daher objektiver ist als Malerei. Man kann vielleicht sagen, dass es bei der Malerei eine offensichtlichere Vermittlung zwischen dem abgebildeten Objekt und dem Betrachter gibt als bei der Fotografie. Relativiert wird das dadurch, dass erstens der Fotograf auch in gewisser Weise vermittelt, und dass zweitens in beiden Fällen durch den Blick bzw. Wahrnehmungsapparat des Betrachters eine weitere Vermittlungsebene vorliegt. Die Fotografie ist in gewisser Weise ein seltsames Zwischending zwischen der Malerei und dem Blick des eigenen Auges. Der Einfluss des Fotografen ist offenbar vorhanden, aber es ist viel weniger offenbar, wie sich dieser Einfluss auswirkt. Arrangement und Auswahl des Motivs durch den Fotografen sind vorhanden, doch für den Betrachter im Bild schwerlich zu erkennen. Vom Fotografen aus gesehen kann man sagen, dass die Fotografie – anders als normalerweise die Malerei – dem Fotografen erlaubt, einen Teil der Kontrolle darüber, was im Bild ist, abzugeben, zugunsten dessen, was sozusagen von außen dort hineingeworfen wird, wo der Fotograf nicht gezielt arrangiert. Davon Objektivität zu erwarten hieße, dass man absurderweise den Einfluss des fotografischen Blicks im gleichen Atemzug für ein Hindernis hielte, in dem man dem Blick des Betrachters eine objektive Beobachtung zutraute.

Ich würde eher sagen, der Umstand, dass der Fotograf bewusst erlauben kann, dass Eindrücke an seinem Filter vorbeifließen, ist ein (für die Zeit, als sich die Fotografie von den "Malereistandards" der "Bildkomposition" wegbewegte) neues und interessantes künstlerisches Mittel. Es erlaubt dem Betrachter, im Foto sozusagen am Blick des Fotografen vorbei zu gucken, allerdings ohne im Einzelnen erkennen zu können, wo das passiert. Es erlaubt auch dem Fotografen selber, im Nachhinein in der fotografierten Szene Details zu entdecken (also an seinem ursprünglichen Blick vorbei zu gucken), wo er sich (beim Schnappschuss) im Moment des Fotografierens oft nur von einem spontanen und intuitiven Eindruck hat leiten lassen. Es erlaubt die schnelle Darstellung des schnellen, kurzen und lückenhaften Blickes, so dass die Wahrnehmung die Lücken im Nachhinein dadurch füllen kann, neue Zusammenhänge herzustellen, die dem Auge auf Anhieb entgangen sind. Der spontane Eindruck und das nachträgliche Betrachten gewinnen gegenüber dem Prozess der Herstellung des Bildes an Bedeutung. [1] Die teilweise Aufgabe der Kontrolle des Werkes durch den Künstler ist später, im 20. Jahrhundert, in anderen Kunstformen auch ein Thema gewesen, und wenn ich in meiner eigenen Musik Aufnahmen von auf der Straße aufgeschnappten Geräuschen verwende, profitiere ich sozusagen von einem Wahrnehmungsraum, den die Fotografie geöffnet hat. Alle diese Elemente würden sich im Prinzip in der nicht "künstlerisch gemeinten" journalistischen Fotografie auch finden lassen, werden dort aber normalerweise ignoriert oder gar verschleiert.

Die Entwicklung der Technologie des Fotografierens spielt eine wichtige Rolle. In der Anfangszeit waren die Kameras unhandlich und der Fotograf musste für jedes Foto mehr Aufwand betreiben und benötigte lange Belichtungszeiten, was Schnappschüsse unmöglich machte. Das bedeutet, dass die Fotos der Anfangszeit, wie Malereien, viel deutlicher arrangiert und komponiert waren als das später der Fall war. Teilweise lief die Fotografie in Bezug auf "Realismus" der Malerei hinterher; zum Beispiel war es im 19. Jahrhundert wegen der unterschiedlichen Helligkeiten noch extrem schwierig, Himmel und Landschaft in befriedigender Weise zusammen auf dasselbe Foto zu bekommen. Menschen wurden ganz offensichtlich so fotografiert, wie sie sich präsentieren wollten bzw. wie es zwischen ihnen und dem Fotografen ausgehandelt wurde, dass sie sich präsentieren wollten. Q., die von diesen Dingen viel mehr weiß als ich, berichtete, dass der "objektive" Aspekt nicht ursprünglich als Vorteil der Fotografie angesehen wurde, sondern eher später (ab dem späten 19. Jahrhundert), und auch von der Fotoindustrie forciert worden ist, um den Markt für die neue Technologie zu erweitern (z.B. Verwendung von Fotos als Beweis in der Kriminalistik usw.).

Mit dieser Technologieentwicklung geht auch eine Wandlung der Rolle des professionellen Fotografen einher, die sich wiederum auf den Bildern der Straßenfotografie verfolgen lässt. Fotografien machen zu können an sich war in der Frühzeit etwas besonderes. Fotografen brauchten Zugang zu und Wissen von dieser neuen Technologie. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert war die Entwicklung jedoch schnell, und bald wurde es billiger und schneller, z.B. Portraits zu fotografieren als zu malen. Die Idee der sozialen Dokumentationsfotografie entstand aus diesen Möglichkeiten; die Fotografie konnte festhalten und zeigen, was zu malen zu teuer und aufwändig gewesen wäre. Der dokumentarische und "objektive" Anspruch der Fotografie ging also einher mit sozialen, demokratischen und aufklärerischen Ideen um 1900 herum. [2] Dieses ist nicht die einzige Ausstellung, in der ich gesehen habe, dass aus der Zeit um 1900 herum auch Bilder nichtprofessioneller Fotografen aus Fotoalben gezeigt werden, spätere jedoch nicht mehr. Zu dieser Zeit gab es bereits einige "private" Fotografen, aber die Fotografie war noch jung genug, dass diese Leute als auffallende Bereicherung des Genres wahrgenommen wurden. Die dokumentarische und journalistische Fotografie dominierte die "Kunstfotografie", während die Malerei sich in abstraktere Richtungen entwickelte. In dem Maße, in dem die Fotografie jedoch Allgemeingut wurde, entwickelten sich die professionellen Fotografen von der "realistischen" Dokumentation des "Typischen" weg; sie zeigten nun Bilder, denen man nicht vorwerfen konnte, dass jeder Hans und Franz sie hätte schießen können. Auch der Straßenfotograf will nun ein Künstler sein, der Persönliches und Originelles zeigt; wenn schon kein arrangiertes Motiv, so doch wenigstens eine ganz spezielle Entdeckung. Bewusstes Arrangement bzw. sichtbar scharfe Auswahl des Motivs werden wieder wichtiger. Auch dazu gibt es wieder eine Gegenbewegung, die also Realität nicht um des ‹Realität objektiv zeigen Willens› zeigt, sondern als Reaktion auf die Reaktion darauf.

Das Foto dokumentiert durch den Blick des Fotografen also nicht nur die Sichtweise des individuellen Fotografen, sondern auch seine Rolle im Diskurs der Zeit; es dokumentiert den Stand der Technologie und die Rolle der Fotografie, und all das produziert zusammen mit der festgehaltenen beobachteten (also persönlichen bzw. sozialen) Realität und den Augen des Betrachters in unentwirrbarer Weise den Eindruck, den das Foto hinterlässt.

Q. und ich entdeckten, dass der Versuch einer "objektiven" Dokumentarfotografie in uns beiden paradoxe Gefühle auslöst. Beide waren wir uns einig, dass Objektivität ein verfehlter Anspruch ist, der nie einlösbar ist, und wir beiden stören uns an Versuchen, die Subjektivität des Fotografen zu leugnen oder zu verstecken. Q. sagte, dass ausgestellte Schnappschüsse oft ihren Widerwillen auslösen, denn die Menschen auf den Bildern werden als Objekte des Fotografen ohne eigenen Einfluss auf den Vorgang des Fotografierens dargestellt. Ihr gefiel die Notwendigkeit in der frühen Fotografie, dass die fotografierenden Menschen kooperieren mussten und sich bewusst darstellen konnten. In ihrer eigenen Fotografie achtet sie darauf, die Interaktion zwischen dem Fotografen und seinen menschlichen Motiven deutlich zu machen (Ich frage mich, ob dieses auch auf die Wahrnehmung der Interaktion zwischen Foto und Betrachter positive Auswirkungen hat).

Andererseits gab Q. eine Schwäche für die Idee der sozialen Dokumentation zu, den bewussten Versuch, reale Lebensumstände zu zeigen, um sie zu verbessern - obwohl das in der Geschichte oft mit einem unhaltbaren Anspruch auf Objektivität passiert ist. (Würde es dem emanzipatorischen Anspruch auch genügen, wenn die Dokumentatoren diesen Anspruch fallen ließen? Theoretisch schon, aber leider würden vermutlich weniger Leute hinsehen.) Im Grunde schwächt es die soziale Dokumentation ja nicht, dass sie nicht bloß dokumentiert, wie die soziale Situation ist, sondern auch, dass der Fotograf sich darum kümmert und meint, andere damit befassen zu wollen (und dass der ganz subjektiv betroffene Betrachter das dann tut).

Auch auf mich übt die scheinbare Objektivität der Fotografie einen Reiz aus. Zum einen aus historischem Interesse ("wie haben sie damals gelebt?"), zum anderen aus Freude an der Vielfältigkeit des nicht bewusst gefilterten Lebens, aus Freude am Detail in einer Menge, die sich in eigener Sache durcheinander bewegen, ohne dass jede gezeigte Einzelheit von einem Maler nachgearbeitet werden könnte. Obwohl ich weiß, dass es diese Objektivität letztlich nicht gibt, schon wegen des konstruktiven Aufwandes, den mein eigener Wahrnehmungsapparat betreibt, um diese "Realitäten" in meine persönliche Wahrnehmungswelt einzufügen. Wenn wir uns bemühen, offen hinzugucken und eigene Wertungen im Zaume zu halten (was natürlich selber eine Art der Wertung ist), wird es immerhin einfacher, dass wir uns von dem, was unser eigener Wahrnehmungsapparat liefert, überraschen lassen, dass wir also unsere persönliche Realität bereichern und den Drang ausmanövrieren, nur das zu sehen, was allzu einfach und glatt in unser Weltbild passt. Und in dem Zusammenhang bin ich auch sehr froh, dass es Fotografen gibt, deren Bilder so aussehen, als seien sie einfach in die Menge gehalten, oder in das Gewirr, dass die Realität mir eigentlich überall zu sein scheint, und auf denen man keine Antwort bekommt darauf, was an diesen Bildern der Fotograf selber eigentlich hat hineinlegen wollen, anstatt bloß solche, deren Bilder mich anschreien: "Seht her, ich bin ein Künstler, und habe hier einen eleganten optischen Witz arrangiert". Auch wenn der Letztere in gewisser Weise ehrlicher ist.

Dieser "objektive Blick" ist, obgleich eigentlich nicht objektiv (was ich nicht vergessen will), immerhin ein ganz brauchbarer Trick zur Bereicherung der persönlichen Wahrnehmung. Und vielleicht ist es das, wozu "Objektivität" (in fetten Anführungszeichen) wenigstens noch gut sein kann.



Erstellt: 28. Februar 2011 – letzte Überarbeitung: 1. März 2011
Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung.
Alle Rechte vorbehalten.
Bitte senden Sie weitere Kommentare zu diesem Text per E-Mail
an unseren Sachbearbeiter Dr. Artus P. Feldmann.