BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«Aphorismen (1)»
von Holger Wyrwa
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Was ist Ethik? Ein Auswurf gerader Gedanken, die von niemandem krumm genommen werden, weil keiner sie je ernst nahm.

Man hat schon so oft versucht, dem Menschen das Rückgrat zu brechen, und doch ist niemandem je dabei aufgefallen, daß er überhaupt keines hat.

Das Leben ist viel zu ernst, als daß man es nicht als Spiel betrachten sollte.

Mit welchem Recht legalisiert der Mensch seinen Wahn, sich über den Status von Ameisen zu erheben?

Eine sterbende Mutter zu ihrem sich über sie beugenden vierzigjährigen Sohn: «Halte Dich gerade, mein Junge!»

Eine sechzigjährige Mutter zu ihrem im Bett liegenden sterbenden Sohn: «Wenn ich Dich da nur schon wieder liegen sehe!»

«Auf ein Wort, mein Freund: Was ist das Übel der Gegenwart?» «Die Oberflächlichkeit!» «Und was das Übel der Geschichte?» «Die Wiederholung!»

Ich kaufe den Menschen ihre Intelligenz nicht ab.

Die größte Gefahr: Die Sicherheit, mit der Menschen von der Wahrheit sprechen.

Wir werden nicht als Menschen geboren, sondern dazu gemacht. Und wenn wir nicht ganz vom Pech verfolgt werden, machen wir dabei ein bißchen mit.

«Ich liebe die Revolution, aber die Revolutionäre kotzen mich an!»

«Ich kann doch nicht meiner Natur widersprechen!» «Und was ist Deine Natur? Das, was Du aus Dir machst!»

Die Menschen jubeln jedem zu, der ihnen ein besseres und leichteres Leben in Aussicht stellt. Und ob dies nun mit Versprechungen oder Argumenten, mit Fähnchen, Aufmärschen oder Wiener Würstchen geschieht, das bleibt sich gleich.

Früher sagte man, daß sich das Universum um die Welt drehe. Dann sagte man, die Welt drehe sich um die Sonne. Heute sagt man, die Welt drehe sich um den Menschen. Der Gipfel an Überheblichkeit.

Die drei Todsünden: Deizid, Suizid, Plebiszit.

Charakter ist eine andere Form von Fixierung.

Leben ist eine Qualität, die erarbeitet werden muß. Aber wer will heutzutage schon arbeiten?

Die Welt ist ein Sieb, in dem sich die Widersprüche fangen.

Zu jeder Hoffnung gibt es eine gleichwertige Verzweiflung.

Ein Alptraum, wo die Wirkung zur Ursache wird. Ein Chaos, wo beides verpufft.

Der Mensch ist das, was er verschweigt.

Die wichtigste Aufgabe des Menschen im folgenden Jahrtausend: Schön zu sein.

Als Sisyphus zum ersten Mal den Stein bewegte, wußte er nicht, daß er nichts bewegte. Als er es zum wiederholten Male tat, ahnte er bereits, daß er nichts bewegte. Als er es immer wieder tat, wußte er bereits, daß er nichts bewegte, und tat es doch. Ein Beispiel für die Gewohnheitssucht des Menschen? Oder tat er es aus Hoffnung, weil er den Glauben an die Bewegung nicht verlor? Oder aber aus Verzweiflung, weil der Versuch zu bewegen immer noch besser war, als überhaupt nichts zu bewegen? Alle drei Fragestellungen sind sinnlos. Denn in allen drei Fällen ist das Resultat das gleiche.

Es gibt nur ein Argument, das für die Arbeit spricht: Sie hat für den physischen Erhalt der menschlichen Existenz gesorgt. Ansonsten hat sie durch die Jahrhunderte den Menschen erfolgreich am Leben gehindert.

«Du behauptest, daß das Leben den Menschen erniedrige. Doch was für eine Alternative bliebe ihm, wenn nicht der Tod. Der Tod mag keine Erniedrigung sein, aber ist er eine Form der Existenz?» «Der Tod mein Freund, ist Reinheit. Er ist der Sturz von der Unanständigkeit des Lebens in die aufatmende Stille des Bodenlosen. Oh, wenn ich die Kraft hätte, das Trauerspiel des Lebens in die höchste Stufe der Versenkung zu überführen. Ich tät's und zerrisse den Vorhang, der das Leben und den Tod voneinander trennt, und des Menschen Nacktheit würde zwischen zwei Spiegeln offenbar!»



15. Juni 2001 – letzte Überarbeitung: 2. Dezember 2002
Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung.
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