BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«Plausible Plotlinien»
von Edna Lemgo
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«It turns out that bliss
– a second-by-second joy + gratitude at the gift of being alive, conscious –
lies on the other side of crushing, crushing boredom.
Pay close attention to the most tedious thing you can find
(tax returns, televised golf), and, in waves,
a boredom like you’ve never known will wash over you and just about kill you.
Ride these out, and it’s like stepping from black and white into colour.
(David Foster Wallace, The Pale King (Notes and Asides))


‚Möchtest Du noch Kaffee?’
‚Nein danke, ist schon meine dritte Tasse.’
‚Nimm noch ein Stück Kuchen.’
‚Auch nicht, ich hatte schon zwei, Oma, danke.’

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‚Dann nimm doch noch eins, wenn du erst zwei hattest.’
‚Danke Oma, ich bin die Enkelin, die nicht so viel Süßes isst.’
‚Ist der Kuchen zu süß?’
‚Eigentlich nicht, aber ich bin doch nicht so für Süßes.’
‚Wusste ich gar nicht, hast Du mir das schon erzählt?’
‚Hin und wieder. Ich bin jetzt so seit geschätzt etwas über 30 Jahren die Enkelin, die nicht so gerne Süßes isst, Oma.’
‚Wie alt bist Du denn jetzt?’
‚Zu alt, Oma. So alt wollte ich nie werden.’

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‚Was hast Du gesagt?’
‚Vierundvierzig befürchte ich.'
‚Vierundvierzig schon. Möchtest Du noch eine Tasse Kaffee?’
‚Nein danke, Oma, ich hatte schon drei.’
‚Wann hast Du Dir denn nachgeschenkt?’
‚Du hattest mir nachgeschenkt, Oma, vorhin, danke’.
‚Noch ein Stück Kuchen?’
‚Nein danke, ich hatte schon zwei.’
‚Ach ja. Was ist das denn hier?’
‚Das ist die Karte, die ich Dir mitgebracht habe.'
‚Frohe Ostern und, was steht da noch, einen ...’
‚Einen schönen Frühling, Oma. Von Markus, mir und Trischa.’

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‚Trischa?’
‚Unser Hund, Oma.’
‚Sind das Kerzen?’
‚Nein, das sind Tulpen, Oma. Das Foto ist bei uns aus dem Garten, von letztem Frühling. Da hatten wir besseres Wetter.’
‚Ach so, Tulpen. Bei Euch aus dem Garten. Schön.'
‚Was ist das eigentlich für ein Geräusch?’

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‚Was denn, ich hör nichts.’
‚Du hast ja auch Deine Hörgeräte nicht drin, Oma. Hast Du sie irgendwo?’
‚Eins ist ja schon lange weg, das andere ist jetzt auch kaputt.’
‚Weißt Du, wo das zweite ist?’
‚Ich hör gar nichts.’
‚Du hast ja auch Deine Hörgeräte nicht drin, Oma.’
‚Dreiundneunzig werde ich dieses Jahr, glaubst du. Wie alt bist Du denn jetzt? Karin ist auch schon wieder sechs Jahre tot.’
‚Sechs Jahre schon. Kommt mir kürzer vor. Und irgendwie länger. Ist irgendwie nicht greifbar.’

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‚Die Zeit vergeht.’
‚Ist vielleicht auch gut so, Oma. Das Geräusch ist unangenehm. So ein Pfeifen. Wie ein Tinnitus.’
‚Ich hör das gar nicht.’

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‚Würdest Du wahrscheinlich auch mit Deinen Hörgeräten nicht hören. Ist zu hoch das Pfeifen, das macht Dir nichts, wenn ich wieder weg bin. Auf den Frequenzen bist du wahrscheinlich auch mit Hörgerät taub. Und mich stört's nicht wirklich.’
‚Was ich zugenommen habe, glaubst Du, mir passt keine Hose mehr.’
‚Ist doch ein gutes Zeichen, Oma, dann ist mit Deinem Magen wieder alles in Ordnung. Weißt Du noch, wie lange Du nichts Richtiges essen konntest?’
‚Depressionen habe ich aber nicht.’
‚Deswegen ist es ja auch wichtig, dass Du Deine Medikamente regelmäßig nimmst und morgens und abends jemand kommt, der sie dir bringt, Oma. Damit du nicht durcheinander kommst.’
‚Eigentlich brauch ich die gar nicht. Wieso komm ich durcheinander?’
‚Das ist jetzt schon der zweite Winter, den Du ganz zuhause verbringst, ohne dass Du abgeholt werden musst. Ist doch gut, dass morgens und abends einer vorbei schaut.’
‚Die sind ja auch von da, die die immer die Tabletten bringen.’
‚Ja, das haben die geregelt. Das haben sie richtig gut gemacht. Und du sagst doch selbst, dass du nicht klagen kannst.’
‚Klagen kann ich wirklich nicht. Zweiundneunzig bin ich schon. Wenn ich mir da andere angucke.’
‚Stimmt, da bist Du wirklich nicht mehr die Allerjüngste. Ich schau doch mal, woher das Pfeifen kommt. Nervt auf Dauer.’
‚Ich räum ab und mach mal sauber. Ich hör das aber gar nicht.’

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‚Der Fernseher ist es nicht. Das Telefon auch nicht. Weißt Du, wo Dein zweites Hörgerät ist? Könnte auch das Hörgerät sein. Klingt wie eine Rückkoppelung.’
‚Mein Hörgerät macht doch keine Geräusche. Das ist die einzige Hose, die mir noch passt. Die hat auch einen Gummizug.’

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‚Weißt Du, wo dein Hörgerät ist?’
‚Nein. Wollen wir ins Wohnzimmer gehen?’ ‚Keine Ahnung, woher das Pfeifen kommt. Aus dem Wohnzimmer. Das ist so hoch, ich kann nicht finden wo das Geräusch herkommt.’
‚Komm setz Dich. Ist hier warm genug?’
‚Wenn es dich nicht stört. Mir macht es nichts.’
‚Mir ist warm.’
‚Klingt eigentlich sogar ganz interessant, wenn man den Kopf bewegt. Hat sowas raumgreifendes von allen Seiten. Sind wahrscheinlich Rückkoppelungen von Deinem Hörgerät, das hier irgendwo rumliegt.’
‚Frau Kirschbach geht übermorgen ins Heim. Ging ja auch nicht mehr, alles nur mit dem Rollator’.
‚Und wie ist das für sie?’

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‚Was?’
‚Dass Sie ins Seniorenheim geht.’
‚Ich glaube, das macht ihr nicht viel. Sie weiß ja, dass es nicht mehr so geht. Der Sohn hat schon den ganzen Keller ausgeräumt. Der Wilfried hatte da ja immer seinen ganzen Kram drin.’
‚Scherzfrage, Oma: Wenn ich gleich weg bin, und keiner mehr da ist, der das Pfeifen hört, ist das Geräusch dann noch da?’
‚Soll ich noch Kaffe machen?'
‚Nein danke, Oma, ich hatte genug.’

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‚Was ist das denn hier? Ist das von euch?’
‚Das ist die Karte von uns, die ich dir mitgebracht habe, das Foto mit den Tulpen drauf.’
‚Ich bin aber auch vergessen, glaubst du. Das muss man sich mal vorstellen. Dreiundneunzig werde ich dieses Jahr. Aber ich kann noch laufen. Wenn das nicht wäre. Was steht da?’
‚Frohe Ostern und einen schönen Frühling. Schönes Osterwetter haben wir ja nicht gerade. Mit dem Laufen hängst Du ja wirklich noch viele ab, die viel jünger sind als Du. In der Altenrunde sind auch alle jünger hast du gesagt?’
‚Schon lange.’

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‚Bist Du also die Alterspräsidentin da.’
‚Zwei Männer gibt es da noch, die sitzen an ihrem eigenen Tisch.’
‚Wie früher die Kinder am Kindertisch.’
‚Herr Brigge hat am zehnten Geburtstag. Der wird auch Zweiundneunzig, man glaubt es nicht. Der fährt sogar noch Auto. Der Wilfried ist Zweiundachtzig geworden. Wie Opa.'
‚In Deinem Kalender steht morgen, am Vierten. Hat Herr Brigge morgen Geburtstag?’
‚Was ist denn heute für ein Tag. Ich verkomme noch ganz mit den Tagen, glaubst du. Bin schon ganz dusselig manchmal.’
‚Heute ist Ostermontag, Oma. Enkelkinder besuchen ihre Großmütter immer am Ostermontag. Hat Herr Brigge einen Tag nach Ostern Geburtstag?’
‚Ich verkomme noch ganz mit den Tagen, glaubst du. Ostermontag ist heute? Dann hat Herr Brigge morgen Geburtstag. Wenn es so im Kalender steht.’
‚Musst Du morgen dran denken, Oma. Herr Brigge hat morgen Geburtstag. Feiert er irgendwie?’
‚Ja, die Tochter kümmert sich gut. Die kommt jede Woche bis aus Köln. Herr Brigge kocht sogar noch für sich alleine.’
‚Gehst Du hin wenn er feiert?
‚Die Tochter kommt aus Köln und die anderen Verwandten.’
‚Dann feiert nur die Familie? Hier steht, dass übermorgen Altenrunde ist.’
‚Ist schon wieder Altenrunde? Da ist Herr Brigge auch.’
‚Dann siehst Du ihn ja dort. Feiert ihr Geburtstage in der Altenrunde?’
‚Möchtest Du was Essen?’
‚Wir haben doch gerade erst Kaffee getrunken, Oma. Feiert ihr Geburtstage in der Altenrunde? Dann siehst Du Herrn Brigge übermorgen in der Altenrunde.’
‚In der Altenrunde spielen wir immer. Wie heißt das noch? Da bringen alle immer etwas mit und das kann man gewinnen.’
‚Bingo?’
‚Bingo, ja.’
‚Dann ist Herr Brigge einer der beiden Männer bei der Altenrunde?’
‚Die beiden Männer spielen immer Rummikub. Wir Frauen spielen Bingo. Sind aber auch nur zwei Männer in der Altenrunde.

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‚Wann waren die Olper denn hier?’
‚Die Olper? Ersten Ostern, gestern, nein vorgestern.’
‚Am Samstag oder Ostersonntag?’
‚Gestern. Nein vorgestern. Was für ein Tag ist denn heute? Ich bin schon ganz vergessen mit den Tagen, glaubst Du.’
‚Du bist ja auch nicht mehr die Allerjüngste mit den Tagen, Oma. Heute ist Ostermontag, gestern war Ostersonntag.’
'Dann waren Sie am Samstag hier. Ostern ist da ja auch immer das Fest da, mit Fußball. Deswegen geht nur der Samstag. Letztes Jahr waren sie doch auch Samstag hier.
’ ‚Und was gibt es neues in Olpe?’

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‚Ach, der Petra ist wieder gekündigt. Das wird den beiden auch nicht gefallen.’
‚Die Stelle war befristet, oder?’

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‚Und vorher zieht sie noch in diese große Wohnung. Und kauft sich die Möbel. Ob sie die Wohnung halten kann, weiß ich auch nicht. Deine Eltern werden sich bestimmt auch Sorgen machen.’
‚Das war aber keine Kündigung, Oma. Der Vertrag hatte nur eine befristete Laufzeit. Und dann ist er zu Ende. Das ist heute meistens so.’
‚Willst Du wirklich keinen Kaffee mehr?’
‚Nein danke, Oma. Das ist etwas anderes als eine Kündigung. Die Petra hat nicht schlecht gearbeitet.’
‚Ja, der Vertrag war zu Ende und da ist die Frau zurückgekommen, die da vorher gearbeitet hat. Vorher ist sie aber noch in die große Wohnung gezogen und hat sich extra noch die Küche gekauft. Der Sohn von Frau Kirschbach hat den ganzen Keller ausgeräumt. Der Wilfried hatte aber auch einen Kram. Wie der Opa.'
‚Das ist eure Generation, Oma. Nach dem Krieg musstet ihr sehen, was ihr finden konntet und damit versuchen, euch wieder alles aufzubauen. Das haben Herr Kirschbach und Opa ihr Leben lang gemacht.’
‚Seit mehr als fünfzig Jahren wohnen wir schon hier. Seit mehr als zehn Jahren ist Opa jetzt tot.’
‚Ja, die Zeit vergeht, Oma. Hätte nie gedacht, dass es mir auch mal so geht. Kommt mir bei Opa irgendwie länger vor, dass er tot ist. Markus wird am Donnerstag auch Fünfzig.’
‚Markus Fünfzig. Wie alt bist du denn jetzt?’
‚So alt wie ich nie werden wollte, Oma. Vierundvierzig, befürchte ich.’
‚Wie alt bist Du?’
‚Vierundvierzig, Oma.’
‚Und der Markus wird Fünfzig?’
‚Ja, am Donnerstag diese Woche.’
‚Steht das da in meinem Kalender?’
‚Ja, ist eingetragen hier, am Zwölften.’
‚Stimmt, das hatte ich mir eingetragen. Fünfzig schon. Der Markus ist älter als du.’
‚Ja, da war ich ungeschickt. Männer leben ja sowieso kürzer. Da bleibe ich am Ende auch über. Wie Du. Frauenschicksal. Ist eine Gnade und eine Bürde, so alt zu werden. Bleibt kaum noch jemand übrig.’
‚Der Opa ist gestorben und der Wilfried auch früher. Meine Brüder auch. Herr Brigge der wird jetzt aber auch schon Zweiundneunzig. Der fährt sogar noch Auto.’
‚Denkst Du daran, dass er morgen Geburtstag hat.’
‚Wer hat morgen Geburtstag?’
‚Herr Brigge.’

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‚Herr Brigge? Ich dachte Markus. Steht ja alles im Kalender, dann weiß ich es.’
‚Das pfeift immer noch. Wollen wir nicht doch Dein Hörgerät suchen?’
‚Das eine ist ja schon lange weg. Das andere wird sich schon wieder finden.’

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‚Ich musste auch wieder ganz schön lange klingeln, bis du mich gehört hast, Oma.’
‚Da bin ich weg gedöst. Ich lege mich ja mittags immer etwas hin.’
‚Ich war ja auch etwas zu früh dran. Ist die Katze eigentlich hier oder ist die draußen?’
‚Die liegt im Bett. Tagsüber schläft die immer im Bett, glaubst du. Katzen brauchen viel Schlaf. Das stimmt. Die kann manchmal den ganzen Tag ratzen, glaubst du.’
‚Und deine ganz besonders. Die habe ich die letzten Male nur bei dir im Bett gesehen. Geht sie nachts raus oder ist es noch zu kalt? Die stört gar nichts. Lässt sie dich eigentlich noch mit ins Bett oder gehört das jetzt ihr alleine?’
‚Auf dem Federbett. Und ich darunter. Sie drauf und ich drunter. Wenn das der Opa wüsste. Manchmal, wenn die morgens mit den Tabletten kommen, legen sie sie einfach hin wenn ich noch schlafe. Was soll ich auch früh aufstehen. Der Tag ist auch so lang.’
‚Ist doch das Beste, was du machen kannst, schön ausschlafen.’

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‚Wenn abends nichts im Fernsehen kommt, gehe ich schon um neun Uhr ins Bett und lese noch, bis ich müde werde. Herr Brigge sagt auch, dass er oft schon vor neun im Bett ist.’
‚Wir gehen auch früh ins Bett, Oma. Was willst Du lange aufbleiben, wenn es im Bett viel schöner ist. Und im Fernsehen kommt ja ganz selten etwas. Was guckst du denn so, wenn was im Fernsehen kommt?’
‚Wie heißt das, am Nachmittag, das kommt immer so um Zwei, Rote Rosen.’
‚Sind das so Liebesgeschichten, wie Du früher immer die Romane gelesen hast?’
‚Die lese ich immer noch, abends im Bett, bis ich müde bin.’
‚Schaust Du noch diese Quizshows, zum Mitraten?’
‚Wie heißt es noch, was meinst Du, das kommt glaube ich nicht mehr.’
‚Das mit dem Jauch? Wie heißt das noch?’
‚Den Jauch mag ich ja. Das bei dem man auch das Publikum fragen kann, jetzt weiß ich es wieder, der Jauch macht das ja gar nicht mehr. Und der Gottschalk das auch nicht mehr, wie heißt das, das kommt immer am Samstagabend?’
‚Wetten dass? Das macht der Gottschalk glaube ich nicht mehr. Die haben ja solange keinen gefunden, der das weitermacht, glaube ich.’

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‚Den Gottschalk gucke ich ja auch gerne, der kommt jetzt immer abends. Da sind Gäste und der redet dann mit denen. Das ist manchmal ganz interessant. Das gucke ich manchmal.’

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‚Der Hape Kerkeling sollte das machen, glaube ich, aber der wollte nicht.’
‚Der Hape? Den finde ich auch gut. Über den kann ich lachen.’
‚Ja der ist wirklich manchmal lustig. Der kommt aus Recklinghausen, wusstest Du das?’
‚Aus Recklinghausen, das wusste ich gar nicht. Willst Du etwas Essen?’
‚Nein danke Oma, ich bin noch satt. Auch keinen Kaffee. Der Hape Kerkeling wollte wohl nicht.’

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‚Was wollte der nicht?’
‚Wetten dass? machen. Warum weiß ich nicht, aber die haben den wohl gefragt und der wollte nicht. Jetzt haben die so einen Moderator, den kenn ich aber nicht.’
‚Den kenn ich auch nicht.’

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‚Wer zieht jetzt eigentlich in die Wohnung von den Kirschbachs, weißt du das?’
‚Die Eltern von denen oben, die das Haus gekauft haben.’
‚Hast Du die schon mal gesehen?’
‚Nein, das sind die Eltern von denen, die das Haus gekauft haben.’
‚Wenn es die Eltern sind, dann sind die ja vielleicht auch in deinem Alter.’
‚Die das Haus gekauft haben, der muss so fünfzig sein.’
‚Dann sind die wahrscheinlich so in den Siebzig. Vielleicht kriegst Du da ja ein wenig Kontakt. Ist hier mehr los. Bei den Kirschbachs warst du doch auch nicht mehr so oft drüben, oder?’
‚Die kommen aus Bornsbeck hier hin.’
‚Den neuen Vermieter finde ich nett, auch den Sohn. Die sind immer ganz freundlich, wenn wir sie sehen. Beim letzten Mal sind sie ins Auto gestiegen, als wir gerade gekommen sind. Vielleicht ist dann hier ein wenig mehr los.’

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‚In Bornsbeck wohnen die, meine ich, hätten die gesagt. Er kommt ja auch daher.'
‚Wie schaut eigentlich dein Garten aus, blüht da schon was?’
‚Die, wie heißen die, sind schon fast wieder verblüht. Und das, was ihr mal mitgebracht habt kommt glaube ich auch nicht wieder. Die stand den Winter über da wo die Stühle sind’.
‚Komm, wir schauen uns das mal an.’

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‚Das ist aber wirklich kein Osterwetter.’
‚Fieselt das?’
‚Ein wenig schon. Aber komm, wir gehen mal kurz raus.’
‚Siehst Du, die meine ich.’
‚Da sind doch noch ganz viele Narzissen, die noch blühen. Und die Primeln da sehen doch auch gut aus.’

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‚Stimmt, ich war aber auch lange nicht draußen. Das in dem blauen Topf, das ist von euch. Ich glaube das kommt diesmal nicht wieder.’
‚Schau mal Oma, das hat grüne Spitzen. Wenn du genau hinguckst, kannst Du sie sehen. Das waren die letzten Wochen, in denen es so kalt war. Bei uns kommt auch alles etwas später. Die Hortensie kommt aber auf jeden Fall.’

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‚Hier in dem Topf ist auch noch was.’
‚Das ist die Glockenblume. Die blüht so blau in Kugeln. Die braucht noch ein wenig. Mit dem Moos sieht es aber wieder besser aus, oder?’
‚Ja, das war gut. Ist das da noch Moos?’
‚Nein, das ist Gras. Wenn Du willst, können wir noch einmal etwas Moos rausholen. Das reicht aber, oder? Das meiste Moos ist weg.’
‚Herr Brigge sagt, in dem Gartencenter da unten gibt es etwas gegen Moos, das kann man so streuen. Wenn ich das nächste Mal da bin, bringe ich das mit.’
‚Wenn heute nicht Ostern wäre, könnten wir eben runter fahren. Können wir aber auch beim nächsten Mal machen. Ist aber wahrscheinlich besser, das Moos so rauszuholen. Ohne Chemie.’
‚Herr Brigge sagt, das gäbe es unten bei dem Gartencenter. Mir passt ja auch keine Hose mehr.’
‚Und wenn dich die Farne stören, mach ich das gerne. Hauptsache du kraxelst da nicht wieder drin rum. Wie lange wohnst Du jetzt hier?’
‚Nur noch die hier, mit dem Gummizug. Dein Vater war elf, als wir hier hingezogen sind.’
‚Also auf jeden Fall schon länger als fünfzig Jahre. Dann kennst Du hier ja jeden Schritt und Tritt. Trotzdem musst du dich da nicht so krumm machen. Denk an deinen Rücken.'
‚Komm wir gehen wieder rein. Ich mach uns noch einen Kaffee. Habt ihr noch Marmelade?

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‚Keinen Kaffee mehr, Oma. Markus kocht heute noch. Marmelade haben wir noch, danke.’

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‚Kennst Du die hier?’
‚Flüchtig, Oma.’
‚Das bist Du auf dem Foto.’
‚Deswegen kam mir die so bekannt vor.’
‚Was ist das denn hier? Ach so, Eure Karte. Das sind schöne Tulpen.’
‚Die ersten Tulpen blühen bei uns schon. Ist aber alles etwas später dieses Jahr.’
‚Bei mir blüht noch nichts. Das war aber auch alles vermoost. Gut dass das Moos raus ist. Es gibt da ja was gegen, sagt Herr Brigge.’

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‚Wieso kaufst Du dir eigentlich keine neuen Hosen?’
‚Mir passt ja keine mehr, nur noch die hier mit dem Gummizug. Du glaubst nicht, was ich zugenommen habe. Weißt Du wie teuer die waren? Die haben mehr als Hundertmark gekostet. Da müsste ich ja zu Woolworth und mit dem Bus fahren kann ich nicht mehr.’
‚Dann musst Du mal mit Deiner Enkelin zum Einkaufen fahren und wir kaufen Dir passende Hosen.’
‚Mehr als Hundertmark. Wenn man einen Keil rein macht, dann passen die noch. Meine Nähmaschine ist nur kaputt, sonst hätte ich das schon gemacht. Die Nähmaschine ist kaputt deswegen geht das nicht. Soll ich dir Kuchen einpacken?’
‚Auch nicht Oma, danke. Ich bin aber auch noch nicht weg. Komm, wir setzen uns noch ins Wohnzimmer.’

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‚Die Katze schläft immer noch.’
‚Was kommt denn für dich heute im Fernsehen? Guckst Du Tatort wenn einer kommt?’
‚Schau mal hier, mögt ihr sowas?’
‚Hast Du das in der Altenrunde gewonnen? Kennst Du noch die Enkelin, die nicht so gerne Süßes ist?’
‚Markus?’
‚Ich glaube nicht, Oma. Wir sind beide nicht so für Süßes.’
‚Wusste ich gar nicht.’
‚Guckst Du heute Abend den Tatort?’
‚Manchmal kommt da auch so etwas mit Reisen, dann sind die in Afrika oder auf dem Schiff. Das guck ich schonmal.'
‚Das Traumschiff?’

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‚Irgendetwas wird schon kommen. Was macht ihr denn heute Abend?’
‚Wir kochen noch und dann mal schauen. Weiß nicht.’
‚Was kocht ihr denn?’
‚Markus ist zuhause, der kümmert sich. Trischa geht es nicht so gut, deswegen ist Markus ja zuhause.’
‚Markus kocht?’
‚Ja, habe ihn gut erzogen.’
‚Opa hat nie gekocht. Beim Fußball konnte der sich vielleicht aufregen.’
‚Markus guckt auch manchmal Fußball wenn es ein Spiel gibt. Manchmal gucke ich sogar mit, wenn Weltmeisterschaft ist. Aber nur, wenn ich zu einer Mannschaft halten kann. Sonst interessiert mich das nicht.’
‚Dortmund ist gut, oder? Opa und Wilfried haben ja immer zusammen Fußball geguckt wenn Deutschland gespielt hat. Dein Vater auch. Der Opa konnte sich vielleicht aufregen. Jetzt krieg ich vom Fußball nichts mehr mit. Der Opa, der hat immer Fußball geguckt’

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‚Ich schau mal, was heute für dich im Fernsehen kommt.’
‚Wenn ich früh ins Bett gehe lese ich noch. Die Katze legt sich immer oben auf das Federbett.’
‚Hier kommt heute wirklich was für dich mit Afrika. Mit Jutta Speidel.’
‚Mit wem?
‚Auf der Spur des Löwen mit Jutta Speidel. Die kenn ja sogar ich. Das kannst du doch gucken.’
‚Mit Jutta Speidel. Wo kommt das denn?’
‚Auf dem Zweiten um Viertel nach Acht.’
‚Da kommt öfter mal was. Das gucke ich schon mal.’



Erstellt: 09. April 2012 – letzte Überarbeitung: 11. April 2012
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