BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«Guck mal, wer da schreibt! - The making of Schmierlappenzeitung»
von Henriette Orheim & Artus P. Feldmann
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Es ist unzulässig, daß Leute der Wissenschaft Tiere zu Tode quälen;
mögen die Ärzte mit Journalisten und Politikern experimentieren.
(Henrik Ibsen) [1] Zitiert nach: Die Fackel. Herausgeber Karl Kraus. Nr. 230–231, vom 15. Juli 1907, Seite 13.

Einführung

Lieber Leser, liebe Leserin, geben Sie doch bitte jetzt, gleich, subito einmal das Wort ‹Schmierlappenzeitung› in eine Suchmaschine ein – zum Beispiel bei http://www.google.de – und beobachten Sie, was geschieht? Na? Was sagen Sie jetzt? Überrascht? Erstaunt? Ja, aber es stimmt wirklich: In der grenzenlosen digitalen Welt des Netzes aller Netze taucht das Wort ‹Schmierlappenzeitung› bis zu diesem Moment – dem 21.03.2003, 18:45 Uhr – nur in Texten auf, die samt und sonders im ‹Skepsis-Reservat› erschienen sind, also hier, nur bei uns. Sie sehen, wir bemühen uns sehr, schöne und insbesonders zutreffende Worte zu erfinden.

Aber jetzt mal etwas ernsthafter. Die Autoren und Autorinnen des ‹Skepsis-Reservates› haben dieses Wort geprägt, weil sie sich schon des öfteren Gedanken über die verheerende Wirkung der Druckprodukte gemacht haben, die man heute so leichthin ‹Boulevard-Zeitungen› nennt. ‹Boulevard› – wie das klingt! Das Wort zeigt ja nicht nur auf eine große, breite, besondere oder gar berühmte Straße, sondern es erzeugt in all denen, die etwa in Paris einmal längs des ‹Boulevard Hausmann› oder des ‹Boulevard Montparnasse› flaniert, oder in Helsinki die ‹Eteläesplanadi› hinauf- und die ‹Pohjoisesplanadi› wieder herunter gebummelt sind, eine großstädtische, eine großzügige, ja eine kosmopolitische Assoziation, ja gar einen Hauch von Weltbürgertum und Toleranz. Und wie sieht die von den einschlägigen Schmierlappenzeitungen erfundene und beschrieene Wirklichkeit aus? Hat die etwas mit einer kosmopolitischen Großzügigkeit zu tun? Mit kultureller Bildung, mit Achtsamkeit, ja gar mit Toleranz? Also mit Verständnis, Nachsicht, Geduld, Schonung, Milde, Gnade, Rücksicht, Duldsamkeit, Behutsamkeit, Liberalität, Hochherzigkeit? Sie lachen zu Recht, lieber Leser und liebe Leserin, diese Worte lassen sich mit Schmierlappen kaum in Verbindung bringen. Wir sehen also, das Wort ‹Boulevard› soll die alltäglich in der Schmutzpresse verbreiteten Unsäglichkeiten nur verharmlosen und aufhübschen und andeuten, daß gerade diese Unsäglichkeiten von den Flaneuren auf den ‹Boulevards› dieser Welt erwartet werden. Oh nein. Das werden sie nicht!

Zur Einstimmung auf die Frage, die wir in diesem Traktätchen vorstellen und beantworten wollen, veranstalten wir noch einmal eine kleine Revue dessen, wofür ‹Schmierlappenzeitungen› in diesem unseren Lande stehen. Nur zur Erinnerung. Damit wir wissen, worüber wir sprechen:
  • In einer Schmierlappenzeitung sind Personen in erster Linie als Körper und als Geschlechts-Wesen interessant: Frau X hat sich zum Beispiel die Brust vergrößern lassen, von Herrn Y gibt es ‹Nacktvideos› und Herr Z wird mit einem ‹Luder› in einer Nachtbar gesichtet. Ja, das ist überhaupt das Größte: In den geschlechtlichen Beziehungen sogenannter ‹Prominenter› herumzuschnüffeln – da erreicht der Spießer ungeahnte Erregungshöhepunkte.
  • Deswegen gibt es auch: «Keine Schmierlappenzeitung ohne die obligatorische tägliche Nackte auf der Titelseite.» (Über die Nacktheit)
  • In einer Schmierlappenzeitung sind Personen in zweiter Linie als emotionale Wesen interessant, wobei wir seit dem Zeitalter der Schmierlappenzeitungen wissen, daß Gefühle etwas mit dem Weinen zu tun haben. Also müssen Fotos von weinenden, entsetzten, verstörten Menschen gezeigt werden. Täglich.
  • «In der größten Schmierlappenzeitung dieses Landes […] wird die Personalisierung des Politischen permanent und pervasiv inszeniert mit Hilfe einer Reduktion komplexer gesellschaftlicher Prozesse auf Personen.» (Abschied vom «homo politicus»)
  • Die Publikationslogik dieser Zeitungen «läßt sich heute Tag für Tag […] betrachten und bewundern: Sie zielt ausschließlich auf die Erregung des ‹kleinen Mannes auf der Straße›. […] In der größten Schmierlappenzeitung dieses Landes wird in den Überschriften der Titelseite deswegen auch sehr gerne das Wort Wut gewählt, um den Stammlesern – also denen, die beim Lesen ihre Lippen bewegen müssen – schon allein durch diese Wortwahl klar zu machen, daß sie sich gleich erregen werden» (und sollten). (Kultur ist Reichtum an Erregung»)
  • Das Ziel dieser Logik ist die Produktion «vieler bewußtloser, ja stuporesker Sklaven, die an […] die reaktionären Schmierlappenzeitungen als ihre Bewußtseinsproduktionsmaschinen gekettet sind und dort genau die Bilder und Sprachskripte ‹auswählen›, die sie in der ‹Wirklichkeit› sehen sollen.» (Über die Nacktheit)
  • Nur ein Aperçu am Rande: «Die Partei der ‹Grünen› wird […] von der schlimmsten Schmierlappenzeitung Deutschlands […] gehaßt bis auf's Blut, weil sie als einzige Partei den Eindruck erweckt, sich tatsächlich und uneigennützig für die Zukunft unserer ‹Pólis› zu interessieren.» (Abschied vom «homo politicus»)

  • Ach, das reicht jetzt. Gehen wir zurück zu dem Wort ‹Boulevard›: Sehen wir in den Zeitungen, die sich hinter diesem Namen verbergen, ein thematisches Flanieren voller Muße, verbirgt sich unter den Lesern gar ein großzügiges Bürgertum, welches für Offenheit und Bedachtsamkeit steht? Oh nein, man muß nur einmal in einer U- oder S-Bahn näher hinsehen, wer Schmierlappenzeitungen liest. Der Eindruck, den die Leser und Leserinnen in der unverstellten Präsentation ihrer Lebensumstände auf uns machen, ist ganz unmittelbar, und er ist überwältigend: Deutschland – ganz unten. Die Leser und Leserinnen sind ganz unten, und – jetzt kommt das Scheußlichste – sie werden von der Schmierlappenzeitung ‹ihrer Wahl› da unten auch noch dauerhaft festgeklebt!


    Guck mal, wer da schreibt!

    Lieber Leser, liebe Leserin, die Einführung ist aus dramaturgischen Gründen etwas lang geworden, deswegen wenden wir uns nun sogleich der Frage zu, die wir in diesem Traktätchen behandeln wollen: Was sind das eigentlich für Leute, die für eine solche Zeitung schreiben? Wer macht sowas? Was sind das für ‹Journalisten›, die Tag für Tag mit ihren scheußlichen Drei- bis Vierwortsätzen die Menschen, die ihre Zeitung mit großer Mühe zu lesen versuchen, weiter analphabetisieren und schlechter, dümmer, billiger und gemeiner machen? Was sind das für Leute, die Tag für Tag am geistigen Niedergang dieses unseren Landes arbeiten? Wie ticken die? Was für ein Gehirn haben diese Journalisten? [2] Zitiert nach Karl Hauer (1907): Das Gehirn des Journalisten. Erschienen in der Fackel, a.a.O., Seite 6–13.

    Da eine Recherche im Kosmos einer Schmierlappenzeitung nun wirklich nicht einfach ist, freuen wir uns, das große Glück zu haben, nicht nur eine der besten und hochherzigsten Zeitungen unseres Landes regelmäßig lesen zu dürfen, sondern in eben dieser auch ein Interview gefunden zu haben mit einem für ein großen Bundesland verantwortlichen «Sport-Chef» einer Schmierlappenzeitung. [3] Das Interview erschien am 5. März 2003 in der Süddeutschen Zeitung, in der mitlerweile leider eingestellten Nordrhein-Westfalen Beilage, Seite 49. Anlaß war dabei eine der üblichen Hetz- und Haßkampagnen gegen einen lokalen Fußballtrainer, die schließlich zu dem von der Schmierlappenzeitung herbei gesehnten Rücktritt führte.

    Journalisten von Schmierlappenzeitungen zu befragen, die politische ‹Nachrichten› oder Kommentare schreiben müssen, erscheint uns wenig ergiebig. Die abzuarbeitenden Anweisungen ‹von oben› und die ‹Linie› des Blattes legen ja vor dem Eintreffen einer Nachricht schon fest, was diese zu bedeuten hat und wie sie zu kommentieren sein wird. So wird uns eine Glosse in der größten Schmierlappenzeitung unseres Landes über die vielfältigen Vorteile der vielen «Ähs» in der freien Rede eines Kanzlerkandidaten für alle Zeiten unvergeßlich bleiben. Das war eine Auftragsarbeit par excellence. Der Journalist als Kalfaktor. Niedriger geht es nicht. Aber so soll es in diesen Kreisen wohl sein.

    Geringfügige Freiräume für solche Journalisten gibt es vermutlich nur in wenigen Themenbereichen, so etwa dem Sport. Insbesondere beim Fußballsport geht ja dem ‹kleinen Mann auf der Straße› der Mund über und es quillt heraus, was er am Morgen über seinen Verein und seine Heroen an Schmutzereien gelesen hat. Also: Mit Bedacht wählen wir einen Journalisten, der in einer Schmierlappenzeitung für den Fußballsport und nicht für die Politik zuständig ist.

    Ein Journalist, ein Redakteur, ja ein Sport-Chef gar gibt also ein Interview. Wie wird er sich dabei präsentieren? Hier könnte man ja verschiedene Theorien haben. Zum einen könnte man sich vorstellen, daß das kluge und gerissene Leute sind, die genau so schreiben, wie sie schreiben, um im Auftrag des Kapitals die Menschen immer dümmer zu machen. Im Grund aber könnten sie viel besser schreiben – und denken. Ist dieser Journalist, dieser Chef also, ein kluger Mann, der weiß was er tut, der seine ‹Macht› erkennt? Zum anderen könnte man aber auch die These aufstellen, daß die Schmierlappenzeitungschreiber nun überhaupt keine klugen Menschen sind, sondern sich in Rabulistik, Erregungsbereitschaft, Dummheit und Selbstüberschätzung nicht von ihrer lesenden Klientel – dem ‹kleinen Mann auf der Straße› – unterscheiden. Spannende Frage. Die Auflösung folgt in Bälde.

    Karl Hauer sagte am Anfang des vorigen Jahrhunderts über den Journalisten: «Er schreibt nicht, weil er etwas zu sagen hat, sondern er sagt immerfort etwas, weil er schreiben muß.» [4] Zitiert nach Karl Hauer (1907): Das Gehirn des Journalisten. Erschienen in der Fackel, a.a.O., Seite 10. Nachdem wir das o.g. Interview, das wir Ihnen, geneigter Leser und geneigte Leserin, aus bald ersichtlichen Gründen selbstverständlich fast vollständig vorenthalten werden, gelesen haben, können wir diesen Satz geringfügig abändern: Auch wenn ein Schmierlappenzeitungsschreiber spricht, dann spricht er nicht, weil etwas zu sagen hat, sondern er spricht immerfort etwas, weil er gerade sprechen muß.

    Und was spricht er? Das läßt sich sehr leicht sortieren, denn er antwortet auf gute und schöne Fragen – zu den Themen ‹Schmierlappenzeitungen als Machtinstrumente›, die ‹Einflußnahme des Meinungsjournalismus›, das ‹Vorsetzen vorgefertigter Meinungen› – so, daß er diese eben einfach nicht beantwortet. Er dreht sich aus allen ihm vorgelegten gedanklichen Kontexten heraus und verweist in seinen Antworten immer nur auf
  • sein ‹Ich›, also auf seine ‹persönliche› Sicht der Dinge, («Ich habe da eine sehr persönliche Meinung. […] Ich kann den Meyer […] einfach nicht leiden. […] Ich akzeptiere […] nicht einmal ansatzweise seine Art. […] Auf der anderen Seite bin ich nicht bereit hinzunehmen, was der Oliver Kahn gemacht hat, das akzeptiere ich nicht einmal vom Ansatz her.»)
  • seine ‹Freiheit›, («In allem was ich tue, will ich absolut frei sein. […] Wenn ich mich wirklich aufrege, dann haue ich das raus. (Da) […] habe ich ihm einen knallharten Kommentar um die Ohren gehauen.»)
  • seine Kontakte mit den Mächtigen, («Wenn wir Scheiße geschrieben haben, dann ruft der Assauer hier an und fragt, ob wir noch alle auf der Leiste haben. […] Und da kann es auch passieren, dass ich sage: Sorry Assi, das war Kacke.»)
  • und seine Korrumpierbarkeit. («Es wird immer so sein, dass man mit Spielern spricht, die dann auch interessante Dinge weitergeben. Und es wird auch immer so sein, dass man mit solchen Spieler dann, per Note etwa, löblicher umgeht. Aber Deals, bei denen ich mich in die Abhängigkeit von Spielern begebe, werde ich nie eingehen.») [5] Alle Zitate in diesem Zusammenhang sind dem in Fußnote 3 zitierten Interview in der Süddeutsche Zeitung entnommen.

  • Selten lag die Psyche eines Journalisten offener vor uns. Und ist dieses naiv-vertrauliche Eingeständnis der von Karl Kraus so oft und nachhaltig beschriebenen Korruption und Bestechlichkeit im Zeitungswesen überraschend? Überhaupt nicht. Wer in diesem engen sozialen Raum als Spieler, Trainer oder Manager also ‹Erfolg› haben will, muß mit der ‹Pressemacht› – identifizierbar hier als unser kleiner Schmierlappenschreiber – kungeln und kooperieren, sonst wird er ‹kaputt› geschrieben. Diese freiwillige Offenbarung zeugt von einer erstaunlichen Dummheit. Ich-Macht-Phantasien haben jede Redlichkeit besiegt: «Du verrätst mir Internas aus Deinem Verein, ich gebe Dir nach dem nächsten Spiel gute Noten.» So einfach ist das.

    Und, ach, welch ein Glück, welch ein Stolz liegt im Timbre dieses Schmierlappenzeitungschreibers: Verheißt es nicht ein Tändeln mit den Mächtigen auf Augenhöhe? Ja, unbedingt. Deswegen ein deutliches Obacht an alle! Alle mal herhören: Mit ihm muß man rechnen, mit ihm hat man sich gut zu stehen. Denn er, der Schreiber, stellt etwas dar, eine Wichtigkeit! Und er hat, im Gegensatz zu vielen anderen von ihm abgekanzelten Leuten, «einen Arsch in der Hose.» [6] Süddeutsche Zeitung, a.a.O. Was sagt Karl Hauer: Der Journalist hat nur «einen Ernst: mit den Brocken, die er der Masse hinwirft, ihren Geschmack zu treffen, vor der Masse recht zu behalten, maßgebend zu sein, eine Macht zu sein, mit der man sich verhalten muß!» [7] Zitiert nach Karl Hauer (1907): Das Gehirn des Journalisten. Erschienen in der Fackel, a.a.O., Seite 11.

    Und wenn dieser Schreiber etwas nicht ausstehen kann, dann sind das Klugscheißer und Intellektuelle. Die versteht er nicht. Das nennt er dann so: «Ich kann zynische Leute nicht leiden.» [8] Süddeutsche Zeitung, a.a.O. So geht das in diesen Kreisen. Wir sollten wirklich wieder einmal in Adornos und Frenkel-Brunswiks Buch über den ‹Autoritären Charakter› blättern. [9] Theodor Wiesengrund Adorno, Else Frenkel-Brunswik, Daniel J. Levinson, R. Nevitt Sanford (1950): The Authoritarian Personality. New York, Evanston, London: Harper & Row (Harper & Brothers).

    Und diese Sprache: ‹Scheiße›, ‹Kacke›, ‹Arsch›, ‹knallhart›, ‹hauen›. Wie traurig, der Schmierlappenzeitungsschreiber hält sich für echt, für kernig, für volksverbunden; er redet und schreibt den Leuten, seinen Lesern, nach dem Maul und zeigt damit, daß er ein «Ignorant», ein «typischer Oberflächenmensch» ist: Deswegen «ist seine Rede immer übertrieben, ist er – nolens, volens – ein Liebhaber des Extrem-Expressiven.» [10] Zitiert nach Karl Hauer (1907): Das Gehirn des Journalisten. Erschienen in der Fackel, a.a.O., Seite 12–13 Guck mal, wer da schreibt: 1907 und 2003!


    Schluß

    Lieber Leser, liebe Leserin, wir wollen es kurz machen und nicht weiter im Schmutz waten: Vergessen Sie Verschwörungstheorien, denn dieser Schmierlappenzeitungsschreiber entspricht in Gänze seinen Lesern: Er sonnt sich im Glanz der angeblich Mächtigen und malträtiert die deutsche Sprache. Ja, der Schreiber selbst ist die Personifizierung, der Prototyp des ‹kleinen Mannes auf der Straße›. Oder anders: Als sekundärer Analphabet ist er genau so doof wie seine Leser. Als dummer Mensch kreist er nur um sich – um das also, was er für seine Person hält – und kann deswegen auch keine einzige auf etwas Höheres oder Abstrakteres zielende Frage beantworten, weil ihm bei seiner Antwort schon wieder seine Voreingenommenheit, also sein Ich-habe-Macht-und-bin-völlig-frei-Trara in die Quere kommt.

    Und Leute mit Intellekt werden, wie wir oben gesehen haben, intuitiv verachtet, denen wird mißtraut, denn die wollen was besseres sein, wollen sich nicht schmutzig machen, wollen sich nicht gemein machen, wollen von Schmierlappen nicht berührt werden.

    Am Peinlichsten und traurigsten ist dieses Gefasel vom ‹Ich› und der Freiheit des ‹Ichs›. Aber das müssen die unterdrückten Kalfaktoren des Boulevards täglich zu sich selber sagen, um noch einen winzigen Rest von Würde sich selbst gegenüber zu bewahren: «Ich bin frei!» Dabei ist damit nur gemeint, daß der Kalfaktor gelegentlich selbst entscheiden darf, über wen er die nächste Meinungsjauche auszugießen hat. Sollte er sich da aber mal vertun, sollte er sich da zum Beispiel mal an einer ‹Lichtgestalt› vergreifen oder an jemandem, der intensive Schmutzverträge mit seiner Schmierlappenzeitung pflegt, dann kann da ganz schnell ein Gegenwind von ganz oben kommen, aus dem eigenen Haus, eine Anweisung: «Den greifen wir nicht an!». Und schon kuscht der Schreiber. Soviel Freiheit muß schon sein, ganz persönlich jetzt.

    Wie sollen wir schließen? Mit zwei Zitaten von Karl Hauer, erschienen im Jahre 1907:

    «Die öffentliche Meinung, die durch die Presse gemacht wird, ist die schlimmste Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit und die illiberalste aller Institutionen.» [11] Zitiert nach Karl Hauer (1907): Das Gehirn des Journalisten. Erschienen in der Fackel, a.a.O., Seite 12.

    «Die Presse kannn ihre Macht nur erhalten, wenn sie den geistigen Tiefstand der Masse faktisch verkörpert. […] Die Popularität der Presse ist wirkliche Gemeinheit, die Presse ist des Pöbels. Was der Zeitungsleser in den Blättern sucht und findet, ist der Abklatsch seiner eigenen Niedrigkeit.» [12] Zitiert nach Karl Hauer (1907): Das Gehirn des Journalisten. Erschienen in der Fackel, a.a.O., Seite 7.



    Erstellt: 20. März 2003 – letzte Überarbeitung: 20. März 2003
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