BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«Abschied von der Universität»
(Wieder hervor geholt, revidiert und aktualisiert 2015)
von Albertine Devilder
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«Es ist alles ausgesprochen.
Nehmen wir den Deckel
und schließen das Gefäß unserer Rede.
Du wirst sehen,
wir werden unsere Schönheit wiedererlangen.»
(Botho Strauß)

Prolog

Ist alles ausgesprochen über das Ende der Universität, ihren Tod, unseren Abschied von ihr? Ja, es ist alles bereits gesagt. Insbesondere von uns, im Skepsis-Reservat der ‹Bochumer Arbeitsgruppe›. Ich fasse es nur zusammen. Dies wird ein kurzer Text.


Aposiopese

Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen Lieblingsdozenten, der vor vielen Jahren an einer großen Universität ganz wunderbare Vorlesungen hielt. In diesen wurde kein ‹Stoff› vermittelt, es wurden keine ‹Fakten› vorgelesen, und die Studierenden wurden auch nicht auf einen ‹Job› vorbereitet. Statt dessen wurde, ja was? Heute sage ich, es wurde Wissenschaft gelebt, vorgelebt. Und ich erinnere mich an eine seiner raffinierten Rhetorikfiguren, mit denen er uns immer wieder erfreute. Der ewige Kanzler hatte damals gerade ein neues Ministerium erfunden, und mein Lieblingsdozent sagte dazu: «Vor einigen Jahren hat unser Kanzler einen Umweltminister herbei gezaubert, weil wir vermutlich bald keine Umwelt mehr haben werden. Jetzt haben wir als Neuestes einen Zukunftsminister ...» Ach, wie liebten wir es, seine Sätze im Kopf zu vervollständigen!

Ich mußte an diese Rhetorikfigur der Aposiopese, so nennt man sie, denken, als ich mir klar machte, daß man den Begriff der ‹Eliteuniversität› nur erfinden kann, um vom Verschwinden all dessen abzulenken, das einmal mit dem Begriff ‹Universität› verbunden war. Abschied von der Universität? Ja, das schauen wir uns an.


Die ‹romantische› Universität

Der Grundgedanke der ‹romantischen› Universität ist schnell skizziert: Artus P. Feldmann schreibt in seinem Traktat ‹Wissen als Ware›: «Wilhelm von Humboldts Ende des 18. Jahrhunderts entworfene ‹Theorie der Bildung des Menschen› sah die zentrale Aufgabe des Menschen darin, sich zu einer umfassend gebildeten, reichen Persönlichkeit zu vervollkommnen. Und gerade die ‹Universitas›, die Gesamtheit der Lehrenden aus den verschiedensten Bereichen des Denkens, sollte die Möglichkeit gewähren, diesen Weg zu gehen.» Und: «In der Romantik war die Institution Universität verbunden mit den Worten Bildung, Gedanken, Verantwortung, geistige Freiheit, Dienst am Menschen und Vertrauen in die Studierenden.» (Vgl. Arbeitspapier Nr. 11, S. 27)

Und mit dem Wort ‹Verantwortung› ist gemeint, daß ein Studierender an einer romantischen Universität die volle Verantwortung trägt für das, was er sich in völliger Einsamkeit und Freiheit als zu Lernendes aussucht, und für das, was er später damit anfängt. Muß ich noch etwas hinzufügen? Nein.


Die ‹moderne› Universität

«In der Moderne nun kämpft die Universität ziemlich vergeblich dagegen, zu einer Fachschule gemacht zu werden, in der statt Bildung Fachwissen vermittelt wird, statt Gedanken Meinungen, statt Verantwortung Verantwortungslosigkeit, statt geistiger Freiheit Sachzwänge und statt eines Interesses für einen Dienst am Menschen ein Interesse für einen Dienst an der Sache. Und ganz folgerichtig hat die moderne Universität kein Vertrauen in die geistigen Eigenbewegungen von Studierenden, sie zeigt stattdessen eher ein Mißtrauen. Die wiederum daraus folgende Gängelung der Studierenden durch Studienpläne aller Art vermittelt den Eindruck, als läge unseren UniversitätsbetreiberInnen nur etwas daran, hoch qualifizierte spezielle ProblemlöserInnen für das Kapital auszubilden und sonst gar nichts.» (Vgl. ‹Wissen als Ware›)

Karl Jaspers hat diesen Trend bereits in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts beobachtet und beklagt: «Es gilt als selbstverständlich, daß die Wissenschaften mit ihren in Lehrbüchern dargebotenen Ergebnissen gelernt und in den Examina geprüft werden... In einem geordneten Studienplan lernt man in der gehörigen Reihenfolge, was man braucht. Um das andere kümmert man sich nicht. Die Universität ist ein Aggregat von Fachschulen. Diese Auffassung, die weit verbreitet ist, ist der Tod des lebendigen Geistes der Universität.»

Und wenn wir wieder das Wort ‹Verantwortung› betrachten, so zeigt sich, daß die modernen Universitäten schlicht Vielwisser erzeugten, die sich hinter ihrem Wissen verstecken konnten, da sie die Verantwortung für ihr Tun und Lassen an angebliche Fakten abtraten. Vielwisser? Ja. Moderne Vielwisser! Heraklit sagte dazu: «Vielwisserei bildet den Geist nicht.» Michel de Montaigne sagte: «Es ist Brutalität, Verstand auf Gedächtnis zu gründen und nichts zu wissen, als was im Buche steht.» Und weiter: «Erstaunlich, daß ein menschlicher Kopf die Gedanken der hervorragendsten Geister in sich beherbergen kann - und doch stumpf bleibt.» Und damit hat er ganz wunderbar und treffend ausgedrückt, was wir an vielen Professoren an den modernen Universitäten auszusetzen haben und hatten. Wir können jedoch den Begriff Vielwisser nicht hinter uns lassen, ohne Karl Kraus zu Rate zu ziehen. Er sagt zunächst «Vielwisser dürften in dem Glauben leben, daß es bei der Tischlerarbeit auf die Gewinnung von Hobelspänen ankommt», um dann noch vernichtend anzufügen: «Der Vielwisser ist oft müde von dem vielen, was er wieder nicht zu denken hatte.» Touché!


Die ‹postmoderne› Universität

Wie zeigt sich der ‹lebendige Geist der Universität› in der Postmoderne, im neuen Jahrtausend? «In der Postmoderne ist die Universität endgültig zu einer Fachschule geworden, was allerdings von kaum jemandem bedauert wird. Die Universität hat sich aufgegeben, sie dient keinen übergeordneten moralischen Werten mehr, sondern allein der Gewinnmaximierung ihrer Angehörigen. Jeder Professor ist ein kleiner Unternehmer, und Unternehmer wollen nicht nur Spaß haben, sondern dabei auch was verdienen. Und StudentInnen wollen auch mal UnternehmerInnen werden, deswegen lernen sie in möglichst kurzer Zeit so viel ‹Wissen› wie möglich.» (Vgl. Arbeitspapier Nr. 11, S. 27)

Daß es sich hierbei nicht um ‹Wissen›, sondern um beliebige Informationen handelt, hat Artus P. Feldmann sehr genau beschrieben. Und in den Marginalien zum ‹Sozialen Konstruktivismus› sage ich: «Wir leben heute in einer Welt der Fakten - und deswegen in einem epistemologischen Niemandsland. In den gängigen universitären Seminaren spielen wissenschafts- und erkenntnistheoretische Überlegungen keine Rolle mehr, statt dessen bemühen sich alle Beteiligten, insbesondere auch die Studierenden, möglichst schnell das, was ihnen als ‹Fachwissen› oder ‹Faktenwissen› nahe gelegt wurde und wird, in der Praxis ‹anzuwenden›, natürlich im Auftrag von jemandem, der dadurch einen Mehrwert einstreicht. Im finalen Kapitalismus sind die Universitäten zu ‹Fachschulen› geworden, und die zu erwartenden ‹Elite-Universitäten› werden zu ‹Ober-Fachschulen› werden. Denn grundlegende, philosophische, ja existentielle Fragen gibt es nicht mehr, nur noch ‹Anwendungsfragen›. Betriebswirtschaft also.»

Eins müssen wir noch ergänzen. Durch den Bologna-Prozeß, eine Vereinbarung, in Europa ‹vergleichbare› Studienabschlüsse zu schaffen, haben wir nun keine Studienabsolventen mit Diplom mehr, sondern mit einem BA oder MA. Was sagte Bethchen B. in einer Redaktionskonferenz dazu? «Die studentischen Forderungen nach ‹Praxisnähe› und unmittelbarer ‹Verwertbarkeit› des angeblich soeben Gelernten werden noch zunehmen. Wer einmal zu der schlichten Überzeugung verleitet wurde, die Welt käme in ‹Fakten, Fakten, Fakten› daher, ist für Hintergründigkeiten und skeptizistische Diskurse, ja, für die Philosophie insgesamt verloren, denn er kann nur noch in einfachen Rangreihen denken. Und, wie lustig ist das, sich vorzustellen, daß die mit vordergründigen Meinungen die Welt abklatschenden Bachelors und Masters dann die Elite unseres Bildungssystems bilden werden. Und das nicht nur in Bayern. Jede Demokratie hat die Bildungselite, die sie verdient.»

Neben der völligen Verschulung der Studiengänge und der feinfizzeligen Aufteilung der Stoffhäppchen in Module und Untermodule kommt noch eine vermutlich geplante Komplizierung hinzu. Während früher ein Studierender nach einem Vordiplom sicher sein konnte, auch ein Diplom in seinem Fach absolvieren zu dürfen, ist das heute völlig anders. Nach den wahnwitzigen Numerus-Clausus-Anforderungen, die in vielen Fächern um die Pseudonote 1,2 kreisen, gibt es neuerdings auch einen Numerus-Clausus nach dem Bachelor-Studium. Mit einem Bachelor-Papier in der Tasche darf man mitnichten einen Master machen. Da gelten dann erneut Zulassungsbeschränkungen. Das Anforderungsprofil liegt also nahe: Das Kapital erwartet, daß Schüler zunächst blind durch die Schule rasen, um den nötigen Notendurchschnitt zu ergattern, und daß sie dann auch noch blind durch das Bachelor-Studium rasen, um zu zeigen, daß sie für höhere Aufgaben, hier ein Master-Studium, geeignet sind.

Wir sollten auch an die Beschäftigten in den postmodernen Fachschulen denken. Die neue W-Besoldung zwingt die Professoren dazu, sogenannte Drittmittel ‹einzuwerben›, wenn sie vernünftig bezahlt werden wollen. Erfolgreiche Forschung ist heute gleichbedeutend mit dem Ausmaß der Einwerbung von ‹Drittmitteln›. Doch was sind ‹Drittmittel›? Abgesehen von Fördermitteln aus Steuergeldern bezahlt das Kapital immer öfter direkt für das, was es ‹erforscht› haben möchte. Die ‹Drittmittel› stammen also von Unternehmen, die sich von der Forschung etwas versprechen. Dies öffnet der Korruption Tür und Tor. Aber es geht noch weiter: Die angeblichen ‹Befunde› aus drittmittelfinanzierten Forschungsbemühungen gehören alleine dem, der zahlt. Er entscheidet, was er mit den ‹Befunden› macht und ob er sie veröffentlicht. Toll, nicht? Die Wissenschaft der Zukunft wird somit zu einer Wissenschaft der guten Nachrichten. Und in diesem Kontext soll ein Universitätsprofessor etwas über die ‹soziale Konstruktion› von wissenschaftlichen Befunden, über ‹epistemische Kulturen› oder ‹Labor-Opportunismus› schreiben? Wie soll das gehen?

Doch noch mehr Zugriff auf die Forschung selbst erlangt das Kapital mit den sogenannten ‹Stiftungsprofessuren›. Natürlich gibt es davon in München die meisten (56), aber selbst an der Ruhr-Universität Bochum, unserer ehemaligen Heimat, sind es schon 29. Besonders beliebt sind jedoch Stiftungsprofessuren an Fachhochschulen. Hier läßt sich die Forschung besonders gut beeinflussen. Eine große Augenoptiker- und Brillenkette richtet etwa an der Fachhochschule in Lübeck eine Stiftungsprofessur für Augenoptik ein. So geht das. Nur noch ein Beispiel: Laut ‹taz› vom 14.2.2015 finanziert Volkswagen 24 Stiftungsprofessuren an18 Hochschulen.

Doch es geht noch weiter: Selbstverständlich sitzt das Kapital auch in den Hochschulräten, die so sensible Dinge beschließen wie die Grundordnung der Hochschule, den Entwicklungsplan und die Einrichtung oder Abschaffung von Studiengängen. So ist das. Und Studierende, die sich daran gewöhnt haben, Powerpoint-Präsentationen in einem ‹Aldi-Hörsaal› ertragen zu müssen, finden interessanterweise an dem hier Beklagten nichts schlimm. Nein, sie begrüßen gar die guten Kontakte zu den Firmen. Was eine - jenseits von gewinnorientierten Zielen des Kapitals - erkenntnisorientierte Wissenschaft, was eine der ‹Wahrheit› verpflichtete Wissenschaft ausmacht oder ausmachen könnte, hat ihnen niemand mehr erklärt.

Jochen Hörisch - wir erinnern uns hier sehr gerne an seine ‹Theorie Apotheke› von 2004, die wir damals im ‹Literarischen Salon› mit Wohlgefallen lasen. Ach, selige Zeiten! - beklagt in der ‹taz› vom 14.2.2015, daß in den Universitäten nur noch über Geld geredet werde:
«Die eingeworbenen Drittmittel, die Prämien für die Einwerbung von Drittmitteln, die Vorfinanzierung der Antragsprosa, die Höhe der Studiengebühren, etwaige Gehaltszulagen bei Berufungsverhandlungen, die Milliardenbeiträge, die in Exzellenzinitiativen fließen, und die Probleme bei der Anlage von Stiftungsvermögen - das sind die Themen, über die an deutschen Universitäten ständig gesprochen wird. […] Die nicht sonderlich originelle, aber dennoch höchst angemessene Frage, wozu die Universität eigentlich da ist, welche Bringschuld sie hat, was auf- und anregende Forschung ausmacht, wird um so weniger gestellt, je mehr der Unibetrieb durch geldförmige Kennziffern geregelt wird.»
Und er faßt zusammen:
«Der Unibetrieb ist heute in weiten Teilen (von einigen gallischen Dörfern mit zweifelhaftem Ranking abgesehen) ebenso geldbesessen wie geist- und besinnungslos.»
Leider müssen wir noch auf zwei Bereiche verweisen, um die sich die postmodernen Fachschulen, nachdem sie die Wahrheitssuche ganz zynisch aufgegeben haben, intensiv kümmern. Den einen nennen wir mal ‹Öffentlichkeitsarbeit›:

Pressestellen von Universitäten haben heute viel zu tun, denn beinahe täglich ist irgendwo in einem ‹Wissenschaftspark› eine ‹lange Nacht der Wissenschaften›, eine ‹Kinder-Uni›, ein ‹Wissenschaftsevent›, ein Wissenschafts-Tralala, in dem es ganz vordergründig um einen ‹Dialog› zwischen Wissenschaft und Pólis geht. Wissenschaft geht in der Postmoderne zielstrebig ‹nach draußen› und führt sich selbst vor. Als Konsequenz daraus muß sich jeder Forscher und jede Forscherin bereits bei der Planung einer Untersuchung überlegen, wie die Untersuchung selbst und die zu erwartenden ‹Ergebnisse› medienkompatibel verkauft werden könnten. ‹Stille› Forschung kann es nicht mehr geben. Klappern ist angesagt. Denn die Medien brauchen Futter. Welcher Art? Egal, muß nur der Stempel ‹Wissenschaft› drauf stehen. ‹Amerikanische Forscher haben festgestellt ....› - tja, das wüßten wir aber.

Zum anderen stehen die postmodernen Fachschulen heute in einem permanenten ‹Wettbewerb›. Was das ist, was das soll, und was das mit einer wissenschaftlichen Wahrheitsfindung zu tun hat, weiß keiner. Aber egal, in der Zwischenzeit, bis wir genau wissen, wie der ‹Wettbewerb› zwischen Universitäten aussehen könnte, machen wir, hm, genau, Abschlußfeiern mit Talar, Schärpe und Bommelhut. Ehemals ehrwürdige Universitäten haben die Zeichen der Zeit verstanden und setzen auf eine Abschiedszeremonie, in der die mit Talaren verkleideten Master-Absolventen eines Jahrgangs – selbstverständlich in Anwesenheit ihrer Eltern – gleichzeitig ihre Bommelhüte in die Luft werfen. Diese Veranstaltung verschafft den ehemals ehrwürdigen Universitäten eine ‹Corporate Identity›, einen Image-Gewinn und somit einen ‹Wettbewerbs- und Standortvorteil› gegenüber anderen Universitäten, die diese Zeremonien noch nicht in ihrem Programm haben. Darum geht es. Um was geht es? Nur nebenbei: Selbstredend werden die Talare und Narrenkappen vom Kapital gesponsert. Deswegen schwebt während der Abschlußfeier ein Zeppelin der ‹Deutschen Post› über den Feiernden mit der Aufschrift ‹Glückwunsch, Uni-Absolventen›. Schöne, neue Welt.


Abschied

Es ist alles gesagt. Der ‹Bologna-Prozeß› hat das Humboldtsche Ideal einer romantischen Universität endgültig beerdigt. Um an die noch vorhandenen emotionalen Erinnerungsreste von einer romantischen Universität falsch anzuknüpfen, ziehen sich Studierende heute T-Shirts mit dem antiken Wappen ihrer Fachschule auf den Leib, nehmen ihre Eltern nicht nur zu ihrem Studienbeginn mit, sondern lassen sich von diesen auch zu Corporate-Identity-Geselligkeiten aller Art begleiten und bestehen auf einem Bommelhut, der ihre geistige Übergabe an das Kapital, ihre geistige Bankrotterklärung symbolisieren soll. Toll.

In der Postmoderne prägt ein final-kapitalistisches Denken nun auch ganz essentiell die Einrichtungen, die den finalen Kapitalismus eigentlich kritisch begleiten sollten. Der finale Kapitalismus hat endlich die Fachschulen, die er verdient. Ein Studium ist reduziert worden auf eine Berufsausbildung, statt Bildung finden wir an den Fachschulen eine Ausbildung, also eine ‹Qualifikation› für den Arbeitsmarkt. Machte die moderne Universität ihre Studierenden zu ‹Vielwissern›, erzieht die postmoderne Fachschule ihre Absolventen zu anspruchsunverschämten Allzweckwaffen für das Kapital. Denn wenn ein junger Mensch einen BA erworben hat, wenn er also das gelernt hat, was man ihm vorsetzte, dann möchte er die ‹Informationen›, die ihm während seines Unterrichts gegeben wurden, möglichst gut weiter verkaufen. Eine Verantwortung für die ‹Informationen›, die er weiter verkauft, hat er nicht und kann er nicht haben, denn die sind ihm an der Fachschule ja so ‹mitgeteilt› worden. Schöne, neue Welt.

Bedenken wir: Das lateinische Wort ‹studere›, welches ja immer noch in den Worten ‹Student› und ‹Studium› aufscheint, bedeutet eigentlich, daß sich jemand ‹um etwas eifrig bemüht›, daß sich jemand im Rahmen einer ‹Zuneigung, eines Interesses, einer Vorliebe, ja, einer Passion› – aus freien Stücken – intensiv mit einer Sache beschäftigt. Was ist nur daraus geworden? Ein Bommelhut.


Epilog

Ich habe oben meinen Lieblingsdozenten erwähnt. Ich möchte dieses doch eher bittere Traktätchen schließen mit einer weiteren Erinnerung an ihn und seine Art zu lehren. In den letzten Minuten seiner letzten Vorlesung, die ich heimlich aufnahm, sagte er etwas, das mich immer noch sehr bewegt:

«Jetzt komme ich zum heimlichen Lehrplan dieser Vorlesung: Jenseits der Inhalte habe ich euch etwas zu zeigen versucht, das mir sehr wichtig ist: Daß es nämlich im Leben nicht darum gehen kann, sich einer Zeit, einer Kulturepoche, einer Welt, glatt, fugenlos und clever anzupassen, daß es im Leben nicht darum gehen kann, gar auf dem Höhepunkt einer Zeit zu sein, sondern daß es immer, und gerade an einer Universität immer nur darum gehen kann, neue Zeiten und neue Welten zu erfinden! Das ist unsere Aufgabe und das ist die Aufgabe der Universitäten, die diese vielleicht einmal sogar erfüllt haben. Und so habe ich versucht, euch mit dieser letzten Vorlesung etwas von der fast verloren gegangenen Schönheit und Würde der Universität zurückzugeben.»

Schönheit und Würde. Es ist zum Heulen.



Ins Netz gestellt am 24. Februar 2015
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