BOAG - Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung
«Sozial-konstruktivistische Marginalien (4): Einige Fragen und Antworten zur ‹Diskursivität› und ‹Textualität› unseres ‹Seins›» von Albertine Devilder
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Es gibt nichts zu sagen; denn Wörter sind Dietriche,
von denen jeder alles aufschließt, also eigentlich nichts;
es gibt nichts abzubilden, denn das Bild,
das zumindest an der Oberfläche einen Einbruch verübt hat,
ist bereits ein allseits und sattsam bekannter Verbrecher.
(Richard Weiner)

Einführung

Selbst wenn einige kluge Menschen sich manchmal wundern, mit welcher Insolenz Spin-Doktoren jemanden zur ‹Siegerin› einer Fernseh-Diskussion ausrufen können, so bleiben sie doch meist fest in ihrer kleinen ‹Welt der Fakten› verhaftet und wenden sich sogleich und freudig gegen denjenigen, der ihnen an Hand eben dieses Beispiels erzählen will, unsere soziale und personale Welt werde eher von Sprache zusammengehalten denn von ‹Tatsachen›. Damit aber nicht genug, denn hat der ‹gesunde Menschenverstand› erst einmal eine solch' seltsame ‹Theorie› wie den ‹Sozialen Konstruktivismus› vernommen, läßt er sich selbst und uns keine Ruhe, bis er ‹Argumente› gefunden hat, die nach seiner Meinung den ‹Sozialen Konstruktivismus› widerlegen und seine eigene bevorzugte Sicht auf die so ohne weiteres herumliegende ‹Wirklichkeit› bestätigen. Die Ideologie des ‹naiven Realismus› sitzt fest in den Köpfen (fast) aller Menschen - und die Spin-Doktoren lachen sich kaputt.

In dieser Reihe von ergänzenden Randbemerkungen zum ‹Sozialen Konstruktivismus› greifen wir einige der wesentlichen und immer wiederkehrenden Einwände ‹naiver Realisten› auf, um sie anmutig zu beantworten. So haben wir in dem ersten Marginalia-Text unseren grundlegenden Gedanken erläutert, daß Sprache die textuelle Struktur von Wirklichkeit liefert und ‹die Welt so mit dem Wort einher geht›. ‹Textualität› definiert in unseren Augen, was in einem sozialen Raum möglich und wirklich ist. Aber deswegen ist noch längst «nicht alles relativ».

In dem zweiten Marginalia-Text beschäftigen wir uns mit der immer wieder auftauchenden Behauptung, der ‹Soziale Konstruktivismus› habe eine ‹gewisse› Berechtigung, eine mögliche ‹Aussagefähigkeit› und eine ‹tentative› Gültigkeit nur in einigen wenigen, eingeschränkten, ‹weichen› Bereichen aus den Feldern der Psychologie, Soziologie oder Pädagogik: Solange man die zuständigen Gene noch nicht gefunden habe, könne eine ‹Neurose› etwa eine Genese haben, die unseren Überlegungen entspräche. Vielleicht. Bei harten Tatsachen jedoch tauge der ‹Soziale Konstruktivismus› nichts. Nun, in der zweiten Marginalie haben wir durchaus freundlich und sorgfältig diese Meinung ausgeräumt und auf die ‹Textualität› unseres Seins verwiesen.

In diesem Traktat nun geht es - wieder einmal - um den endlosen Versuch des ‹gesunden Menschenverstandes›, den Geltungsbereich ‹sozial-konstruktivistischer› Ideen so klein wie möglich zu halten.


Einschränkungen und Einwendungen

Die Einwände, auf die wir hier eingehen wollen, sammeln sich nicht nur in dem Vorwurf, daß Diskurse und Texte der ‹Wirklichkeit› zu folgen hätten, und nicht umgekehrt, nein, es gibt auch feinere Sophismen. Auf geht's:
Schluß

Fassen wir unsere Ideologie zusammen, die wir so nachhaltig dem ‹Naiven Realismus› entgegen halten wollen: Psychische Phänomene werden diskursiv fabriziert. Unser Sein erwächst aus zwischenmenschlichen Diskursen. Diskurse hantieren mit Sprache und weiteren Symbolsystemen. Diskurse sind je nach Kultur und Subkultur unterschiedlich. Kontext und Kommune definieren die Grenzen der Geschichten, die an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit über die Person, das Sein und die Wirklichkeit in Umlauf gebracht werden dürfen. Und zwischen diesen sozialen Orten und Räumen der Diskurse herrschen erhebliche, bis ins Inkommensurable hinaufwachsende Unterschiede. Beispiele dafür gibt es heute zuhauf.



Erstellt: 9. September 2005 - letzte Überarbeitung: 9. September 2005
Bochumer Arbeitsgruppe für Sozialen Konstruktivismus und Wirklichkeitsprüfung.
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